Dienstag, 9. Juni 2009

Massenkommunikation konstruiert Wirklichkeit

Paul Watzlawick beschreibt in seinem Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ in wie fern Kommunikation allgemein, und im speziellen auch Massenmedien, Wirklichkeit konstruieren.

Watzlawick geht von keiner eindeutigen, absoluten Wirklichkeit aus, sondern definiert Wirklichkeit als Ergebnis von Kommunikation. Er sagt, Wirklichkeit spielt sich nicht zwischen einzelnen Menschen und in deren Umgebung ab, sondern in den Köpfen jedes Einzelnen. Es gibt also keine Wirklichkeit, sondern nur völlig subjektive und zum Teil völlig widersprüchliche Wirklichkeitsauffassungen. Watzlawik redet in diesem Zusammenhang noch von der Wirklichkeit 1. Ordnung und der Wirklichkeit 2. Ordnung.
Wirklichkeit ist also entweder das Ergebnis selbst getroffener zwischenmenschlicher Abmachungen oder entsteht auf Grund einer bestimmten Gesellschaftsschicht oder Gruppenzugehörigkeit. Die so erschaffenen Konstruktionen werden, sobald Sinnzusammenhänge gestiftet sind, die subjektiv als wirklich und wahr gelten, beibehalten. Nur wenn die Konstruktionen an der Realität scheitern, werden sie verändert. (vgl. Watzlawick 2005)

Diese Argumentation nimmt Watzlawick auch als Grundlage, um Rufmorde oder Gerüchte ausgehend von Massenmedien wie Fernsehen und Zeitschriften zu erklären. An diesem Punkt kann man auch mit „Radio Free Albemuth“ anknüpfen. In Kapitel 3 wird beschrieben, wie Präsident Ferris F. Fremont an die Macht kommt, indem er eine konkurrierende Kandidatin in Zeitungen und auf Werbetafeln als homosexuell verleumdet.

„Fremont had used his newspaper in Oceanside to blast Mrs. Greyson, and, financed by unknown sources, he had plastered the southern part of the state with billboards darkly alluding to Mrs. Greyson’s sex life.

CALIFORNIA NEEDS A STRAIGHT CANDIDATE!
DON’T YOU THINK THERE'S SOMETHING QUEER ABOUT GREYSON?”
(Dick 2008, S.26)

Ob diese Informationen stimmen oder nicht, ist nach Watzlawick eigentlich egal. Sie konstruieren eine subjektive Wirklichkeit. Da man politische Kandidaten in den seltensten Fällen persönlich kennt, können diese Konstruktionen also wohl kaum an der Wirklichkeit scheitern (was sie auch, wenn man die Personen kennt, nicht unbedingt müssen).
Die Plakatschriften und Zeitungseinträge, die in „Radio Free Albemuth“ beschrieben werden, konstruieren nicht nur eine Wirklichkeit, in der die Kandidatin Greyson homosexuell ist, sondern gleichzeitig eine, in der Homosexualität mit politischen Eigenschaften metaphorisiert wird. Dies unterstreicht auch die Macht der Sprache. Auch eine solche sprachliche Metapher scheint nicht an der Realität scheitern zu können. So ist „straight“ im englischen nun mal ein Wort für heterosexuell und heißt übersetzt gradlinig oder gerade aus. Diese Gleichsetzung in der Konstruktion der Wirklichkeit wird unbewusst aufgenommen und kann an der Realität nicht zerbrechen und wird deshalb von der Masse beibehalten.

Watzlawick beschreibt mit seiner Theorie die unglaubliche Macht, die von Massenmedien ausgeht, die Wirklichkeit einer ganzen Masse zu konstruieren, d.h. die Möglichkeit, diese Wirklichkeit sogar völlig neu zu schaffen. An dieser Stelle des Romans „Radio Free Albemuth“ wird das, wie sehr häufig der Fall, zur Manipulation und somit zur Erreichung eines persönlichen politischen Zieles verwendet.
Andererseits kann diese Wirklichkeit mit Hilfe von Massenmedien jederzeit auch wieder neu gestaltet werden, es muss nur das entstandene Bild bei der Masse an der Realität zerbrechen (wobei Realität hierbei wieder relativ ist, da sie in diesem Verständnis ja wieder konstruiert werden kann).
Dies ist es sozusagen, was in „Radio Free Albemuth“ dann mithilfe der Lieder, in denen der codierte Text verpackt ist, von statten gehen soll. Brady und Silvia planen mithilfe von Radiosendern die Verbreitung dieser Lieder an das Volk, welches somit das wahre Ich von Präsident Fremont erkennen soll. Die Wirklichkeit einer Masse soll somit neu konstruiert werden.

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